Sonntag, 3. Mai 2009

ein ganz normaler deutscher Arbeitstag

4.30Uhr- Der Wecker klingelt und ich bin aus dem Schlaf gerissen. Fünf Minuten noch und ich drücke auf Schlummer. Noch bevor die fünf Minuten vorbei sind treibt mich das Pflichtbewusstsein vorm nächsten Klingeln aus dem Bett. Es ist Februar und an Sonnenschein ist nicht zu denken. Mit unbeweglichen Gelenken schleppe ich mich unter die Dusche. Langsam kommt Leben in mein Körper und meine Tagesplanung pfeift mir durch den Kopf.
5.00Uhr-Mein Weib hat mir das Frühstück gemacht und der Kaffee dampft vor sich hin. Ein paar letzte Absprachen über den Tagesablauf und ich muss los. Die Kinder schlafen noch.
5.30Uhr-Abholung des ersten Kollegen. Wir haben eine Fahrgemeischaft gegründet und das nicht nur aus Liebe zur Natur sondern um Geld zu sparen. Wir warten auf einen zweiten Kollegen. Zehn Minuten später erscheint er. Er ist noch etwas durcheinander weil die letzte Tüte, vor einer halben Stunde wohl zu stark war.
6.00Uhr-Alle Kollegen sind eingesammelt. Drei Mann sitzen in der Fahrerkabine unseres alten Fiat Ducato's und drei Mann im Laderaum zwischen Baumaterialien und bei 2°C über Null.
Unsere Baustelle ist ca. 35km entfernt und wir werden 45min unterwegs sein.
6.50Uhr-Noch schnell einen Kaffee im Imbiss und ein wenig die eiskalten Hände gewärmt. Wir sind spät dran, denn Berlin war wieder mal verstopft.
7.05Uhr-Der Kaffeebecher ist noch nicht ganz leer, da klingelt das Handy. Der Stellvertreter des stellvertretenden Bauleiters ist am Apparat und fragt wo wir bleiben. Termine, Termine, Termine. Sind schon unterwegs. Morgen nehme ich nur einen kleinen Kaffee.
7.10Uhr-Ankunft auf der Baustelle. 250 Wohnungen bekommen neue Bäder und der erste Mieter kommt auf uns zu gestürzt. Sie wollten doch 7.00Uhr bei mir sein. Das hat Folgen für ihre Firma. Ja, ja, wir sind gleich da. Schnell Wekzeug aus dem eiskalten Materialcontainer geholt und ran an die Arbeit.
7.30Uhr-Ich habe mir Kleber angerührt und mir meine Fliesen zurecht gelegt. Das Badezimmer will ich heute fertig machen. Der Mieter quängelt, weil ich schon seit einem Tag in seiner Wohnung zu tun habe.
Mir ist das erste mal warm heute und ich ziehe den dicken Pulli aus, den wir von unserem Auftraggeber gesponsort bekommen haben. Das Handy klingelt. Es ist schon wieder der Stellvertreter des stellvertretenden Bauleiters. Ich ignoriere den Anruf und stelle das Telefon auf stumm, weil ich meinen Mieter, der gerade ein Schläfchen in seinem Wohnzimmer macht, nicht wecken möchte und witme mich meiner Arbeit.
9.00Uhr-Ich habe schon gut geschafft und da steht plötzlich der Stellvertreter des stellvertretenden Bauleiters in der Tür. "Herr Heimes gut das ich sie treffe. Ihr Telefon scheint nicht zu funktionieren. Sie müssten bitte mal sofort in die Wohnung 129 a links gehen. Dort sind die Fliesen stark verschmutzt und wir bekommen keine Abnahme für diese Wohnung."
9.04Uhr-Ich bin in der besagten Wohnung angekommen. Kein Mieter, Gott sei Dank. Ich suche die starke Verschmutzung und finde tatsächlich eine Bleistiftstrich auf der Fliese hinter dem Klo. Schnell, wie Oma früher, Spucke auf das Taschentuch und dreimal hokuspokus und ab ist der Bleistiftsttrich. Mängelzettel unterschrieben und in das Baubüro bringen und dann ist Frühstückspause. Auf dem Weg in das Baubüro rechne ich mir die Zeit aus, die benötigt wird um ca. 8cm Bleistiftstrich zu entfernen. Meine Arbeitszeit:10 sec; die Suche der Bauleitung, der Auftraggeber und der Architekten nach Mängeln: 3 Personen mal 10 min=30 min; schreiben des Mängelzettels 10 min, verteilen des Mängelzettels inclusive Suche eines Ansprechpartners: 45min; macht zusammen eine Stunde, fünfundzwanzig Minuten und zehn Sekunden.
9.20Uhr- ich gebe den erledigten Mängelzettel im Baubüro ab und der Bauleiter bedankt sich für die schnelle Erledigung.
9.30Uhr-Treffpunkt Schnellimbiss an der Ecke. Alle Kollegen sind schon da und haben schon gefrühstückt. Bernd beschwert sich über seinen Mieter, welcher seit heute früh 7.00 Uhr schon auf ihn wartet. "Der steht die ganze Zeit mit in meinem Bad und kontrolliet meine Arbeit." Ich gebe ihm den Tip, ihm doch ausversehen Fliesenkleber über die Klamotten zu kippen."Oh ja"sagt Bernd. Und schon müssen wir wieder an die Arbeit.
9.45Uhr-Wieder am Arbeitsplatz angekommen steht mein Mieter in der Wohnungstür und wartet schon auf mich. "Wo bleiben sie denn so lange, ich denke sie wollen heute fertig werden?" Ich schleich mich an ihm vorbei und gehe an meine Arbeit.
10.55Uhr-Die Wände sind fertig gefliest und der Klempner kommt und stellt die Badewanne auf. Für mich Zeit endlich mal etwas zu essen.
11.10Uhr-Bockwurst mit Brot, wie jeden Tag. Der Bauleiter kommt durch die Tür."Na, wie läuft's?" "Gut,gut".
11.30Uhr-Ich drehe eine Runde über die Baustelle und gucke wie es bei den Kollegen so läuft.
11.35Uhr-Ich finde alle Kollegen im Materialcontainer. Es ist kalt und die Jungs trinken gerade ein elf-Uhr Bier. "Komm Kay trink auch ein's.""Na gib schon her!" Ich liege gut im Rennen und der Rohrleger ist mit dem Aufstellen der Badewanne sowieso noch nicht fertig.
11.47Uhr-Anruf von unserem Auftraggeber."Der Stellvertreter des stellvertretenden Bauleiters hat mich gerade angerufen. Ihr seid alle nicht auf der Baustelle und trinkt irgendwo Bier. Das geht so nicht." Unsere spontane Versammlung wird aufgelöst und wir gehen wieder an die Arbeit.
12.05Uhr-Der Rohrleger hat die Badewanne aufgestellt aber noch nicht angeschlossen. Mein Mieter erzählt mir, dass der Klempner einen "Straps" holen ist und das der "Stereoporträger" noch nicht ausgerichtet ist. Ich muss also warten bis er fertig ist. "Schmunzel, schmunzel."
12.30Uhr-Ich sehe mir meine Arbeit für Morgen an. Der Mieter freut sich, einen Handwerker zu sehen und erzählt mir auch gleich sein Leben. Er hat schon alles gemacht und kann alles. Auch Fliesen hat er schon verlegt. Geld hat er genug verdient und eigentlich ist er nicht auf Harz-4 angewiesen. Aber man nimmt mit, was man bkommt. Ich lasse ihn Quatschen und denke mir "ja, ja, wahrscheinlich hat er auch mehr Kreditkarten als Max Mustermann."
13.10Uhr-Der Rohrleger liegt immer noch unter meiner Wanne und braucht noch geschätzte 30 Minuten. Die Zeit läuft und es wird wohl wieder spät.
13.35Uhr-Der Rohrleger ist fünf min vor der Zeit fertig und verschwindet. Mein Mieter kommt in die Badtür und sagt "Das wird wohl heute nicht's, mit fertig machen." "Abwarten!" Ich stürze mich wieder an die Arbeit und gebe Gas.
13.40Uhr-Anruf der Bauleiung."Sofort in's Baubüro."
13.45Uhr-"Herr Heimes uns fehlen noch zwei Zettel der Mängelbeseitigung." "Die hat der Stellvertreter des stellvertretenden Bauleiters." " Dann ist gut." Wieder 10 Minuten weg für nicht's.
16.00Uhr-Alle Fliesen, incl. Boden sind verlegt und ich muss zwei Stunden warten bevor ich ausfugen kann. Auf der Baustelle kehrt Ruhe ein. Nur die Fliesenleger schuften noch. Im Baubüro geht das Licht aus. "Gott sei Dank."
16.15Uhr-Nachdem ich meinem Mieter erklärt habe dass ich um 18.00Uhr nochmal zum ausfugen komme, schlender ich zu Bernd und will ein kleines Schwätzchen halten.
16.25Uhr-Bei Bernd sitzen auch schon meine anderen vier Kollegen und die Stimmung ist gut. Bernd hat sich mit seinem Mieter wieder vertragen und ihm eine Kiste Bier aus dem Kreuz geleiert. "Wie lange machen wir heute?" "Ick muss um sechs noch fugen und denke gegen 19.30 Uhr können wir los." Alle sind einverstanden und die Kiste Bier neigt sich dem Ende. Andy sagt er will noch schnell eine Wand fertig fliesen. Bernd holt 15,-Euro raus und sagt "Los eine geht noch." Andy läst sich überreden und alle anderen auch. Andy will nur noch sein Werkzeug sauber machen.
17.45Uhr-Ich mach mich auf den Weg zu meinem Bad wo der Mieter schon auf mich wartet. "Ich dachte schon, sie kommen gar nicht mehr." Drei Bier drehen doch schon etwas in meinem Kopf und die Arbeit geht nicht mehr so ganz leicht von der Hand.
19.10Uhr-Mein Bad ist fertig und ich packe mein Werkzeug zusammen. Mein Mieter drückt mir zwei Euro Trinkgeld für ein lecker Bierchen in die Hand.
19.25Uhr- Meine Kollegen sitzen immer noch bei Bernd und die zweite Kiste ist gleich alle. Andy will noch schnell sein Werkzeug sauber machen aber kommt nicht mehr in die Wohnung. "Muss ich morgen dann neu kaufen."
19.45Uhr-Alle sind abfahrbereit und wir verlassen die Baustelle in Richtung Heimat."77" dreht sich noch schnell eine Feierabendtüte und schon brausen wir los. Die erste Tankstelle ist unsere und der Kühlschrank mit dem Bier wird angesteuert.
Die Strassen sind leer und wir kommen schnell voran.
20.30Uhr-Andy und 77 sind die letzten, welche ich absetze und in fünf Minuten bin ich auch zu Hause.
20.35Uhr-Endlich zu Hause. Die Kinder schlafen schon. Das Abendbrot steht auf dem Tisch. Meine Frau liegt auf dem Sofa und hat wohl die erste Werbepause vom Abendprogramm nicht überstanden und macht ein Nickerchen.
21.20Uhr-Satt und geduscht geht's ab ins Bett. Morgen wird wieder ein anstrengender Tag. So wie Übermorgen und der Tag danach und danach und danach und so weiter.
Wie lange soll das so weitergehen? Ich muss was ändern.

2 Kommentare:

Rentnerleben hat gesagt…

Deshalb will ich weg von Deutschland.

Gruß
Helmut

Thorsten hat gesagt…

Gut

das wir bereits etwas geändert haben ;)

Grüsse,
Thorsten